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20:52 26.07.2019 (aktualisiert 22:11 26.07.2019)
Ilona Pfeffer
Indoktriniert, isoliert und verängstigt – was Sektenaussteiger von ihrer Kindheit bei den Zeugen Jehovas berichten, klingt wie ein Alptraum. Um von ihren Erfahrungen zu berichten und Wege aus der Sekte aufzuzeigen, haben Aussteiger einen „Wachtturm-Opfer-Gedenktag“ auf dem Berliner Alexanderplatz abgehalten.
Wer in einer Familie gläubiger Zeugen Jehovas aufwächst, dessen Leben unterscheidet sich oft dramatisch von dem der Gleichaltrigen: Keine Geburtstagsfeiern, kaum Kontakt zu Menschen außerhalb der Glaubensgemeinschaft, im medizinischen Notfall keine Bluttransfusion und später auch keine Beteiligung an Wahlen. Fasst jemand den Entschluss, der Sekte den Rücken zu kehren, steht er zunächst vor dem Nichts, denn bei den Zeugen Jehovas ist er ausgestoßen und andere Freunde oder Verwandte hat der Aussteiger oft nicht.
© SPUTNIK / ILONA PFEFFER
Um auf die oft schlimmen Implikationen des Sektenlebens hinzuweisen und Ausstiegswilligen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, gibt es vielfältiges ehrenamtliches Engagement, wie beispielsweise durch den Verein "JW Opfer Hilfe e.V."
Am Freitag führte der Verein mit einem Informationsstand den "Internationalen Wachtturm-Opfer-Gedenktag" auf dem Alexanderplatz in Berlin durch.
„Die sind mehr als lächelnde Omis“ – Ex-„Zeugin Jehovas“ froh über Datenschutz-Urteil
Eine der Ehrenamtlichen, die sich an diesem heißen Berliner Sommertag auf dem Alexanderplatz eingefunden haben, ist Giulia Silberberger. In den Medien ist sie als Gründerin des „Goldenen Aluhuts“ bekannt – einer Plattform, die sich mit Verschwörungstheorien auseinandersetzt. Was viele nicht wissen, ist, dass die junge Frau selbst bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen ist.
Mitglieder der Sekte würden systematisch kaputtgemacht, erzählt Silberberger. Gerade Kinder würden extrem leiden, die seelischen Schäden oft für das ganze Leben zurückbleiben.
„Die Seelen von Kindern werden zerstört, sie werden mit Angst und Gewalt erzogen und der permanenten Furcht vor Harmagedon, dem Weltuntergang, den nur die Menschen überleben, die Jehova gefällig sind. Das ist eine fürchterliche Angst, mit der man aufwächst und die mir eine seelische Erkrankung und einen Behindertenstatus beschert hat. Ich möchte, dass das aufhört und dass die Leute über die Gefahren in dieser Organisation Bescheid wissen. Dass es nicht die friedfertigen Leutchen sind, die mit dem Trolli irgendwo am Bahnhof stehen und Liebe predigen, sondern dass das eine eiskalte, faschistoide Gesellschaft ist, die ihre Mitglieder zerstört.“
Zudem halte sie die Zeugen Jehovas nicht unbedingt für verfassungstreu. Aus ihrer Sicht verstoßen sie beispielsweise gegen Artikel 6 – den Schutz der Ehe und der Familie – wenn Mitglieder der Kernfamilie, selbst minderjährige Kinder, aus der Gemeinschaft ausgestoßen werden und mit ihnen nicht mehr geredet wird. Auch würde die Sekte ihr eigenes Rechtssystem pflegen:
„Wenn ein Verbrechen innerhalb der Gemeinschaft begangen wurde, wird es in der Regel nicht der Rechtsstaatlichkeit übergeben, sondern wird innerhalb der Versammlung nach ganz kruden Gesetzen geklärt. Es gilt beispielsweise die Zwei-Zeugen-Regel: Du musst zwei Zeugen vorbringen oder nichts ist passiert. Das sind einfach Sachen, die in eine demokratische Gesellschaft wie die unsere nicht hineinpassen.“
Auch Sophie Jones ist Aussteigerin. Sie sei .......
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