…… Man kann ja mal einen anderen Ansatz versuchen und sich fragen, wo sich die vermeintlichen nichtgesalbten Christen am Ende überhaupt befinden werden. Einen Hinweis finden wir in Off 11, 15. Ich zitiere aus der NWÜ:
In Antwort auf:
Darum sind sie vor dem Thron Gottes; und Tag und Nacht bringen sie ihm in seinem Tempel [naós]* heiligen Dienst dar…;
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*Auf dieses griechische Wort wird nun im Folgenden einzugehen sein.
Aus Vers 9 erfahren wir, dass es die „große Volksmenge“ ist, die sich in eben diesem seinem Tempel befindet. Zeugen Jehovas stellen diese „große Volksmenge“ nicht mit den 144.000 Gesalbten gleich. Sie sagen, die große Volksmenge besitze die Hoffnung auf ein irdisches ewiges Leben im Paradies. Wenn dies zutrifft, dann sollte man erwarten, dass sich der Tempel, in dem sie Tag und Nacht heiligen Dienst darbringt, ebenso auf der Erde befindet. Was ist daher mit dem Tempel gemeint? Wo befindet sich der Tempel? Ist damit der Himmel oder die Erde gemeint?
Im Griechischen begegnen wir zwei Wörter, die im Deutschen mit „Tempel“ wiedergegeben werden: naós und hierón. Unterzieht man beide Wörter in einer Konkordanz einer näheren Prüfung, um festzustellen, an welchen Stellen sie im Neuen Testament vorkommen, dann fällt auf, dass sich hierón stets auf den irdischen Tempel bezieht, naós dagegen auf den himmlischen Tempel. Es ist bedauerlich, dass im Deutschen all diese Stellen, egal ob hierón oder naós, nur mit „Tempel“ wiedergegeben werden. Auch wenn die Übersetzung korrekt ist, so bleibt aber der Unterschied zwischen dem irdischen und himmlischen Tempel unklar. Für Evangelische oder Katholische ist dies jedoch kein Problem, da sie erst gar nicht von zwei unterschiedlichen Klassen ausgehen. Man kommt also um das Griechische schon wieder einmal nicht herum, wenn behauptet wird, es gäbe zwei verschiedene Klassen von Christen. Im Folgenden seien einige Beispiele für naós und hierón genannt, so dass der Unterschied deutlich wird:
Der irdische Tempel:
• Z. B. lesen wir in Mk 11, 15 (parr. Mt 21, 12), wie Jesus die Geldwechsler aus dem Tempel (hierón) vertrieb.
• In Mt 4, 5 stellt der Teufel Jesus auf die Zinne des Tempels (hierón), um ihn zu versuchen.
• In Apg 5, 42 verkündeten sie jeden Tag die Frohbotschaft im Tempel (hierón).
Der himmlische Tempel:
• In Mt 23, 16 redet Jesus vom Schwören beim Tempel (naós).
• In Lk 23, 45 erfahren wir, wie der Vorhang des Tempels (naós) mitten entzweiriss. Durch das griechische Wort naós wissen wir somit genau, dass sich der Vorhang nicht irgendwo im Tempelbezirk (hierón) befand, sondern im Allerheiligsten.
• Der Mensch der Gesetzlosigkeit setzt sich in den Tempel Gottes, nein, aber nicht etwa in den hierón, sondern in das naós (1Thes 2, 4).
• In Jo 2, 19-21 spricht Jesus vom Tempel (naós) seines Leibes, wogegen die Juden dachten, Jesus meinte das Allerheiligste (naós) innerhalb des gesamten Tempelbezirks (hierón).
Die griechischen Wörter unterscheiden zwischen dem Tempelbezirk als Ganzes (hierón) und dem Allerheiligsten (naós), zu dem nur die Hohepriester einmal im Jahr zutritt hatten. Im hierón befand sich zudem auch noch der Vorhof der Heiden. Sie durften sich nur im äußeren Vorhof aufhalten.
Nun kommt der bedeutendste Unterschied: Und hier unterscheidet sich die Offenbarung von allen anderen neutestamentlichen Bibelbüchern, in denen wir noch beide griechische Wörter begegnen. Es ist äußerst spannend, wie wir nun in der Johannesapokalypse durchweg nur noch das eine griechische Wort naós vorfinden. Es kommt dort 16 Mal vor. Nur in Off 3, 12 geht es nicht um einen Ort, sondern dort ist bildlich von der Gemeinschaft mit Gott die Rede (EWNT, Bd. II, S. 1123). Und so verhält es sich auch mit Off 21, 22a.b., wo Gott und das Lamm sein Tempel sind (Ebd.). „Bemerkenswert ist die Bezeichnung des Artemistempels in Ephesus: Das Heiligtum der Göttin heißt tò hierón, Apg 19, 27; die silbernen Nachbildungen des Gebäudes sind jedoch von naoí, V. 24“ (Ebd.).
Warum verwendet die Offenbarung nicht mehr hierón? Offenbar handelt es sich bei beiden griechischen Wörtern nicht um Synonyme, wie wir oben anhand der Schriftstellen ja auch feststellen konnten. Aber wir wissen schon lange, dass mit dem Tempel in der Offenbarung stets der himmlische Tempel gemeint ist. Das ist der Grund, warum hierón in der Offenbarung gar nicht mehr vorkommt. Man braucht hier nur die Konkordanz nachschlagen.
Wo also bringt die große Volksmenge, nachdem wir beide griechischen Wörter unterschieden haben, heiligen Dienst dar? Wir wissen zumindest, dass es nicht möglich ist, dass sie im irdischen Tempel, im (hierón) Gott Tag und Nacht heiligen Dienst darbringt, denn hierón kommt in der Offenbarung nicht vor. Sie kann somit nicht an einem Ort heiligen Dienst darbringen, den es in der Offenbarung nicht gibt! Was dürfen wir also daraus schließen? Wo befindet sich die große Volksmenge in Off 7, 15? Da dort nur noch vom himmlischen Tempel die Rede ist, befindet sich somit auch die große Volksmenge im Himmel. Off 7, 15 löst das Problem über die vermeintlichen Zwei-Klassen-Christen auf. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es gibt keine nichtgesalbten Christen, es gibt nur gesalbte Christen.
THEOLOGE FRANK