Liebe Bibelforscher,
Im Wachtturm vom 15.04.2012 - Studienartikel für die Woche vom 18. bis 24. Juni - wird auf Seite 23, Absatz 5 die Meinung vertreten, die 120 Jahre nach 1. Mose 6:3 bezögen sich nicht auf die Lebensspanne für die Menschen nach der Sintflut, sondern auf die Zeit, die der damals lebenden Menschheit noch verbleiben würde. Dabei wird in einer Fußnote Bezug genommen auf den Wachtturm vom 15.12.2010, Seite 30, wo in einer "Leserfrage" diese Frage untersucht wird.
Zitat
1. Mose 6:3
"Mein Geist soll nicht auf unabsehbare Zeit dem Menschen gegenüber walten, da er ja Fleisch ist. Somit sollen sich seine Tage auf hundertzwanzig Jahre belaufen"
Diese Aussage wird von vielen so verstanden, daß Gott sozusagen noch eine "Gnadenfrist" einberaumt hat. (1. Petrus 3:20). Die mir zur Verfügung stehenden Bibelkommentare gehen alle in diese Richtung.
Bei Jehovas Zeugen werden diese 120 Jahre dann gerne als Parallele zu ihrem Predigtwerk gesehen, wie z.B. im WT 15.12.03, Seite 15:
Zitat
"‘Warnung vor Dingen, die noch nicht zu sehen waren’
6 In den Tagen Noahs erklärte Jehova: „Mein Geist soll nicht auf unabsehbare Zeit dem Menschen gegenüber walten, da er ja Fleisch ist. Somit sollen sich seine Tage auf hundertzwanzig Jahre belaufen“ (1. Mose 6:3). Mit diesem göttlichen Erlass begann 2490 v. u. Z. das Ende jener gottlosen Welt. Stellen wir uns vor, was das für die damals Lebenden bedeutete! Nur noch 120 Jahre, und Jehova würde „die Sintflut der Wasser über die Erde [bringen], um alles Fleisch, in dem die Lebenskraft wirksam ist, unter den Himmeln zu verderben“ (1. Mose 6:17).
7 Noah wurde Jahrzehnte im Voraus vor der Katastrophe gewarnt, und er nutzte die Zeit weise, indem er sich darauf vorbereitete, sie zu überleben. Der Apostel Paulus schrieb: „Durch Glauben bekundete Noah Gottesfurcht, nachdem er eine göttliche Warnung vor Dingen erhalten hatte, die noch nicht zu sehen waren, und errichtete eine Arche zur Rettung seiner Hausgemeinschaft“ (Hebräer 11:7). Wie steht es mit uns? Seit 1914 die letzten Tage des gegenwärtigen Systems der Dinge begannen, sind jetzt schon fast 90 Jahre vergangen. Wir leben unbestreitbar in der „Zeit des Endes“ (Daniel 12:4). Wie sollten wir auf Warnungen reagieren, die wir erhalten haben? „Wer . . . den Willen Gottes tut, bleibt immerdar“, heißt es in der Bibel (1. Johannes 2:17). Deshalb ist es jetzt höchste Zeit, den Willen Jehovas in dem deutlichen Bewusstsein zu tun, dass die Zeit drängt."
Ich habe da gewisse Zweifel, ob diese Anwendung richtig ist. Einmal aufgrund des Bibeltextes selbst, zum anderen, weil auch in Verbindung mit biologischen und medizinischen Erkenntnissen mitunter eine Verbindung zu dem biologisch möglichen Alter und dieser Angabe in der Bibel gezogen wurde. Die Aussage "weil er ja Fleisch ist" weist m.E. darauf hin, daß diese Aussage auf den einzelnen Menschen und seine biologisch maximal mögliche Lebensspanne anzuwenden ist.
Bisher war ich davon ausgegangen, daß es wohl eine zweifache Anwendung gibt, einmal als "Gnadenfrist" damals 120 Jahre vor der Sintflut und dann aber auch auf die Begrenzung des möglichen Lebensalters der Menschen nach der Sintflut.
Unter
http://books.google.de/books?id=_YSYvKbS...ved=0CCgQ6AEwAA
kommt der Bibelforscher Gunkel zu dem auch mit der hebräischen Grammatik begründeten Schluß, daß mit diese Worte Gottes wohl doch nur auf die künftige Lebensspanne des Menschen bezogen werden können.
Mit dem würde dann auch die Wiedergabe des Textes 1. Mose 6:3 in der "Gute Nachricht"-Bibel übereinstimmen:
Zitat
" Der HERR aber sagte: »Ich lasse meinen Lebensgeist nicht für unbegrenzte Zeit im Menschen wohnen, denn der Mensch ist schwach und anfällig für das Böse. Ich begrenze seine Lebenszeit auf 120 Jahre.«
Interessant sind in dieser Verbindung dann die Lebensjahre der Menschen, von denen die Bibel nach der Sintflut berichtet, deren Leben nach der Sintflut begann:
- Moses 120 Jahre als er starb.
- Jakob 147 (Gen 48:28)
- Josef 110 (Gen 50:26)
Wobei Jakob der letzte war, von dem die Bibel berichtet, daß er über 120 Jahre alt wurde.
Unter
http://home.arcor.de/martin.gohla/wissen...3_120jahre.html
hat sich auch jemand mit der Frage beschäftigt und weist auf folgendes hin
"...In der Bibel steht in Genesis oder 1. Mose 5, 32: "Noah lebte 500 Jahre und zeugte Shem, Ham, and Japheth...
Aber in einem anderen Kapitel, nämlich Genesis oder 1. Mose 7, 6 steht: "Noah war 600 Jahre alt, als die Flut kam....
Dann in Genesis, Kapitel 11, in Genesis oder 1. Mose 11, 10 steht: "Shem war 100 Jahre alt, als er Arpachshad zeugte, zwei Jahre nach der Flut...."
Aus alle dem kann man ersehen, daß das mit den 120 Jahren vor der Flut nicht hinkommt, sondern, daß es nur 100 Jahre gewesen sein können. So gesehen können wir 1. Petrus 3:20, daß die Geduld Gottes in den Tagen Noahs wartete nicht direkt mit diesen 120 Jahren in Verbindung bringen und auch die Typologisierung der Wachtturm-Gesellschaft kommt nicht ganz hin.
Ich halte das nicht für einen Gelehrtenstreit ohne praktischen Nutzen, weil m.E. dadurch, daß Jehova die Lebensspanne auf 120 begrenzte (als biologisch maximal möglichen Zeitraum bei maximal günstigen Lebensbedingungen ) wir sehen können, wie genau sich Gottes Wort erfüllt hat. Also eine glaubensstärkende Angelegenheit. Der Hinweis der WTG, daß ja nach der Flut einige erheblich älter als 120 Jahre wurden, zieht meines Erachtens nicht, weil diese Personen ja in einer Übergangssituation lebten und treue Menschen betraf, während Jehova sicher das Alter der Menschen, die nach der Flut geboren wurden im Sinn hatte. Ebenso zieht das Argument nicht, in Psalm 90:10 wäre ja die Rede davon, daß der Mensch nach der Erfahrung der Menschen damals so um die 70 oder 80 Jahre alt würden. Im allgemeinen liegen nicht solch günstige Lebensbedingungen und auch genetischen Voraussetzungen vor, daß Menschen die maximal mögliche Lebensspanne erreichen. Aber an gewissen - wenn auch seltenen - Ausnahmen und den schon genannten Beispielen aus der Bibel kann man sehen, daß es diese maximal mögliche Lebensspanne gibt.
Gruß
vom Schrat