Auf ein Neues!?
Zur Sach 12:2 = Heb 12:22-24
Auf das erste Kommen CHRISTI bezogene Auslegung:
Ähnlich wie in Joel 3:1 weissagt der Prophet eine geistliche Erweckung in Israel ("Geist der Gnade und des Gebets"). Diese Erweckung fand jedoch im vorgesehenen Ausmaß nicht statt; sie muss jedoch als Vorbedingung für die hier geschilderte Auslegung gewertet werden. Wäre Israel GOTT treu gewesen, hätte GOTT sein Volk geistlich und materiell über die Massen gesegnet. "Ich will dich segnen... und du sollst ein Segen sein" (1.Mose 12:2). Diese Segensverheissung hätte sich schon in größeren Ausmaß während der jahrhunderte erfüllen sollen, die auf die Rückkehr der Israeliten aus den Ländern ihrer Gefangenschaft folgten. GOTT beabsichtigte, die ganze Erde auf die erste Ankunft CHRISTI vorzubereiten, genauso wie heute der Weg für sein zweites Kommen geebnet wird.
Dank Israel wäre die Erde somit auf das erste Kommen JESU vorbereitet gewesen. Viele, und allen voran Israel selbst, hätten den Messias als solchen erkannt und gewürdigt. Sie hätten es als unschätzbares Vorrecht betrachtet, von Ihm unterwiesen zu werden. Auch wenn die Juden CHRISTUS angenommen hätten, wäre er zweifellos trotzdem "zerstochen" worden und hätte unter anderen Umständen sein Sühnopfer gebracht. Die Juden wären dann aber an seinem Tode nicht schuldig gewesen, sondern hätten ihren Messias beklagt und beweint, wie es der Sacharja-Text schildert.
Bei einer solchen Entwicklung der Dinge hätte sich die Weissagung Sacharjas in genau dieser Form erfüllt, d.h. die Trauer wäre echt gewesen und aus tiefstem Herzen gekommen. Diese Entwicklung wurde aber durch den zunehmenden Abfall Israels verhindert: nicht nur empfanden die Juden - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - keinerlei Trauer um den toten Messias; sie waren auch maßgeblich an dessen Hinrichtung beteiligt, d.h. an seinem Tode schuldig.
Heißt das, dass die Weissagung Sacharjas damit hinfällig geworden ist? Wie schon oft lautet die Antwort: durchaus nicht; aber die Weissagung muss auf einem völlig neuen Hintergrund gesehen werden, wie ich schon oft auf den Gesamtkontext und Zusammenhänge im NT verwiesen habe.
Auf das zweite Kommen CHRISTI bezogene Auslegung
Das NT hilft uns, einen ganz anderen Rahmen für die Prophezeiung Sacharjas zu finden. Es wird uns gezeigt, dass die Wiederkunft CHRISTI für viele kein freudiges Ereignis sein wird, dass "alle Geschlechter auf Erden heulen" werden (Mat 24:30), dass viele zu Bergen und Felsen sprechen werden: "Fallt über uns und verberget uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes" (Offb 6:16); und schließlich, dass "ihn sehen alle Augen und die ihn zerstochen haben, und werden heulen alle Geschlechter auf Erden" (Offb 1:7, nicht nur auf Juden - aber auch - bezogen).
"Der Triumphzug JESU in die Stadt Jerusalem gab nur einen schwachen Vorgeschmack seiner Wiederkunft in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit inmitten der Siegesfreude der Engel und der Heiligen. Dann werden seine Worte an die Pharisäer und Priester sich erfüllen: "Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen JEHOVAS".
Der Prophet Sacharja hatte im Gesicht jenen Tag des entscheidenden Triumphes vorausgesehen und gleichzeitig das Schicksal derer geschaut, die CHRISTUS bei seinem ersten Kommen verwerfen würden: "Sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben, und sie werden um Ihn klagen, wie man klagt um ein einziges Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um den Erstgeborenen". Dieses Geschehen sah auch JESUS voraus, als er die Stadt Jerusalem erblickte und über sie weinte. In dem zeitlichen Verderben Jerusalems erkannte Er die endgültige Vernichtung jener Menschen, die an dem Blut des SOHNES GOTTES schuldig waren.
Hier handelt es sich auch um eine "Trauer", aber eine in ganz anderer Form: nicht CHRISTI Tod wird beklagt, sondern sein Leben bzw. die Tatsache, dass er als König aller Könige, als Richter und Vergelter erscheint. Ausgerechnet Den, welchen sie durchbohrt haben! In diesem Sinne wird die Weissagung Sacharjas doch noch ihre Erfüllung finden, wenn auch auf tragische Weise. Die Juden, die an CHRISTI Tod schuldig waren, werden ihren schrecklichen Irrtum erkennen, und Verzweiflung wird sich ihrer bemächtigen angesichts ihrer hoffnungslosen Situation. Allerdings sind es nicht Juden allein, die in diesem Sinne "Trauer" empfinden, sondern auch "die heftigsten Widersacher JESU Wahrheit und seines Volkes". Aber darauf habe ich in Bezug auf Offb 1:7 schon des Öfteren verwiesen.
Eine echte Trauer, verbunden mit einer Bekehrung anlässlich der Wiederkunft CHRISTI, kommt somit aufgrund der Sacharja-Weissagung überhaupt nicht in Frage. Denn gerade Sach 12:10 u. ä. macht deutlich, dass die Bekehrung, einer echten Trauer um den Messias vorausgehen muss. Nur ein schon bekehrtes Volk, das beseelt ist vom "Geist der Gnade und des Gebets" ist fähig, um den Zerstochenen aufrichtig zu trauern "wie um ein einziges Kind". Und umgekehrt: das Ausbleiben echter Bekehrung bedingt ein Ausbleiben echter Trauer. Wie bereits mehrfach dargelegt, gibt uns das gesamte NT (welches hier viel zu selten im Gesamtkontext betrachtet wird) keinerlei Anhaltspunkt für eine globale Bekehrung der Juden, unmittelbar vor oder während der Wiederkunft CHRISTI.
Das NT betont immer wieder, dass GOTT die Juden nicht verwirft, aber auch sie müssen sich am Herzen beschneiden, um zum Volk GOTTES dazu zu gehören. Und erst so wird dann "ganz Israel" gerettet werden, mit allen Kindern Abrahams.