Nun möchte ich (gezwungenermaßen) der Behauptung entgegentreten, mit dem Konzil von Nizäa seien alle Differenzen beseitigt worden und eine Anerkennung durch die Mehrheit sei erfolgt. Sieht man sich die historische Entwicklung genauer an, zeigt sich zwar ein komplexes Geschehen, dennoch wird erkennbar, dass noch mehr als 60 Jahre über die Dreieinigkeit mit verschiedenen Fronten und unterschiedlicher Dominanz gerungen und gekämpft wurde.
Schon vor dem ersten Konzil gab es jahrelange Dispute, Streitereien, gegenseitige Exkommunikationen und Intrigen, sodass sich Konstantin gezwungen sah ein Konzil zur Klärung dieser Frage einzuberufen, um die Wogen dieser doch reichspolitisch wichtigen Dimension im Interesse einer funktionierenden Herrschaft zu glätten. Innerpolitische Konflikte dieser Art konnte sich Konstantin nicht erlauben, da er mit Thronanwärtern in Konkurrenz stand, die ihm die Herrschaft abnehmen wollten.
Nizäa war also eine wichtige, aber nicht die Entscheidende Station einer verbindlichen Trinität. Es gab auch nicht nur ein Lager, sondern viele Varianten, die sich um die Fragen der Begriffe Homousios, Hypostase und Wesen stritten.
Jede Idee dazu hatte ihre Vertreter. Manche wurden direkt verworfen, anderen durch Exkommunikation den Mund gestopft. Die Göttlichkeit des Geistes spielte keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle am Rande. Das wurde letzten Endes erst viele Jahre später beim Konzil von Konstantinopel unter dem Kaiser Theodosius geklärt.
Letztlich konzentrierte sich der Streit um zwei Schlüsselfiguren, nämlich Arius und Athanasius. Die jeweiligen Positionen dürften bekannt sein. Ganz grob gesagt, ging es um Arius als Nichttrinitarier (den Trinitätsbegriff gab es eigentlich noch nicht) und Athanasius als Trinitarier. Um den Ablauf nicht unnötig auszuweiten, verzichte ich auf die differenzierten Positionen, die eine Diskussion über die jeweiligen oben angeführten Begrifflichkeiten erfordern würde.
In Nizäa wurde eine Glaubenformel gefunden, doch der Streit war deswegen nicht beigelegt, denn diese Glaubensformel, war eine Kompromissformulierung mit teils absichtlich semantisch offen gelassenen Begriffen, um eine möglichst große Übereinkunft zu treffen. Konstantin selbst machte dazu einen verbindlichen Formulierungsvorschlag, wie er auch nicht nur das Recht am organisatorischen Ablauf hatte, sondern direkt und massiv eingriff, um die Sache zu entscheiden. Im Prinzip kann man sagen, das theologische Ergebnis war ihm egal, ihm ging es lediglich um einen Konsens, auch wenn dieser faul war.
Hinterher begannen die Klagen einiger Bischöfe, dass sie nur unter Zwang, d.h., der Drohung nicht nur hinsichtlich Repressalien, sondern direkter Verbannung durch den Kaiser unterschrieben hätten und ganz mutige zogen ihre Unterschrift zurück. Der Kaiser machte nämlich unmißverständlich klar, wo es langzugehen hatte und schuf so eine 'Mehrheit', die unter dem Eindruck lebensbedrohener Zustände, erzeugt wurde.
Manche der Bischöfe klagten sich selber der Feigheit an. Arius wurde übrigens tatsächlich unmittelbar und als Ergebnis des Konzils verbannt.
Die 'Trinitätsmehrheit' hielt auch nicht lange, sie zerbrach sehr schnell nach Konzilsende, da sie erzwungen war und nicht die tatsächliche Willensbildung darstellte. So wechselten die Bischöfe schnell die Seiten und der schon erwähnte Eusebio von Cäsarea bewirkte beim Kaiser einen Stimmungsumschwung. Arius aus dem Exil geholt, arianische Würdenträger wieder in ihre Ämter eingesetzt und die Bischöfe, die sich als besonders dem Trinitätsgedanken verschrieben hatten und dementsprechend ihre Strippen zogen, wurden aus ihren Ämtern entfernt. Auch Athanasius fiel in Ungnade weil er sich weigerte den Arius wieder in sein Amt einzusetzen.
Schon diese kleine Episode zeigt, dass mitnichten das Konzil von Nizäa irgendeine Entscheidung brachte oder Differenzen beigelegt wurden.
Allerdings hatte Arius dann einen Fehler gemacht und seine neu gewonnnen Position überzogen und mit Kirchenspaltung gedroht, was dem Kaiser gegen den Strich ging und er wieder Arius fallen ließ.
Wir sehen also, dass der Kirchenstreit weiterging und es immer darum ging den Kaiser dahingehend zu beeinflußen, dass er einer Seite gewogen war, denn nur der Kaiser hatte die Befugnis über diese Fragen letztgültig zu entscheiden.
Konstantin war dabei in einer schwierigen Situation, denn das römische Reich war längst nicht mehr stabil und er suchte nach einem integrierenden Faktor der für Stabilität sorgen konnte. Jedenfalls unterstützte er mal die Trinitarier dann wieder die Arianer, je nachdem was ihm vorteilhafter erschien. Die theologischen Aspekte interessierten nur insofern, als das sie die Fortdauer seiner Herrschaft sicherten, wenn er eine einheitliche Glaubensgrundlage schaffen könnte.
Ansonsten war das Christentum für ihn eine Kultreligion, die durch Gebete und Feiern die Gunst der Götter bewirken konnte. Ein nicht unwesentlicher Faktor für die Stabilität.
Eine interessante Anmerkung zum Konzil ist, dass es auf griechisch abgehalten wurde und manche Vertreter diesem Diskurs gar nicht richtig folgen konnten, wie auch später die schriftlichen Konzilaufzeichnungen (nicht erhalten geblieben) von westlichen Würdenträgern gar nicht verstanden wurden, da Latein die kirchliche Amtssprache war.
Konstantin starb im Jahre 337 und drei Söhne des Konstantins erben das Reich, die jeweils ihre eigene Kirchenpolitik betrieben und so die Spaltung der Kirche mit den ungeklärten theologischen Fragen vertieften.
Einer der Brüder wurde dann Alleinherrscher und der Kirchenstreit verlagerte sich etwas dahingehend, welche Vorrangstellung die jeweiligen Kirchen (Ostkirche und Westkirche) einnahmen und welche Macht den Bischöfen zugestanden wird.
340 dann eine römische Synode unter Papst Julius I, der die Verbannung von Athanasius aufhebt und im Unterschlupf gewährt, was die Ostkirche sehr erboste und daher nicht anerkannte.
Es folgt das antiochenische Credo der Ostkirche, die von der Gegenseite als arianisch abgelehnt wird. Darauf wird die sog. ökumenische Synode zu Serdika einberufen, welche mit einem Eklat endet, nach dem sich die Bischöfe hinterher gegenseitig verurteilen.
Der Alleinherscher der drei Brüder ab 353 Konstantinus II. versucht eine gemeinsame theologische Richtung zu retten, allerdings ist er arianisch beeinflußt und erhält erbitterten Widerstand. Überhaupt kann man sagen, dass zu dieser Zeit der Arianismus eine Renaissance erlebte, natürlich nicht zuletzt wegen der Position des Kaisers. Zu diesem Zeitpunkt wird es noch rund zwanzig Jahre dauern, bis eine Entscheidung zugunsten einer Trinität erfolgte.
Weitere Stationen diese Dramas:
351 Synode von Sirmium: Absetzung eines Markell-Schülers
Photin (Trinitarier)
Zürückweisung der Glaubenformel, die in Tradition der 4.
antiochenischen Formel stand (+ Anathematismen).
Verurteilt wurde zB der Satz, "dass sich das Wesen (ousia) Gottes
verbreitere oder (wieder) zusammenziehe", sowie die These, "dass
Vater, Sohn und Heiliger Geist eine Person (prosopon) seien.
353 u. 355 erneute Verurteilung des ATHANASIUS durch westliche
Bischöfe, auf Druck des Kaisers Konstantius II. hin
356 verbannte
er den Papst, da sich dieser weigerte von Athanasius abzulassen.
Da die Gegner des Arius nicht mehr wirksam und präsent argumentieren konnten, sie also keine Gefahr mehr darstellten, zerfiel allmählich der Zusammenhalt der östlichen Fraktion. Sie spalteten sich in diverse Varianten theologischer Ausdeutungen und gaben so leichtsinnigerweise ihren Einfluss auf.
Auch der Kaiser machte zwischenzeitlich einen Sinneswandel durch und betrachtete den aufkommenden Arianismus mit Sorge.
Es folgt:
357 Synode in Sirmium; Ziel: Annäherung der unterschiedlichen
Standpunkte
Wieder Erarbeitung einer Kompromissformel, die wiederrum Anlass zur Unzufriedenheit gab.
Es folgen Teilsynoden, die 4. sirmische Formel :
Zitat
Wir glauben an einen Gott Vater, denn Allherrscher, von dem alles stammt;
und an den eingeborenen Sohn Gottes, der vor allen Äonen und vor jedem
Anfang aus Gott gezeugt worden ist, durch den alles entstand, das Sichtbare
und das Unsichtbare. Gezeugt wurde er als Eingeborener, als einziger allein
aus dem Vater, Gott von Gott, dem Vater gleich (bzw. ähnlich), der ihn
gezeugt hat, gemäß der Schirft; seine Entstehung kennt niemand als allein der
Vater, der ihn zeugte....................."
"Es gefiel (uns) aber, dass der Begriff des Wesens (usia), der von den Vätern
allzu einfältig verwendet wurde, beim Volk jedoch unbekannt war, gänzlich
getilgt und künftig überhaupt nicht mehr erwähnt werde, da doch auch die
göttlichen Schriften an keiner Stelle über das Wesen des Vaters und des
Sohnes sprechen. Und zudem soll auch (der Begriff) Hypostase in Bezug auf
Vater, Sohn und Geist nicht mehr genannt werden. Wir indes sagen, dass der
Sohn dem Vater gleich bzw. ähnlich (griech. homoios) ist, wie es auch die
göttlichen Schriften darlegen und lehren.
"Ousia" und "Hypostasis" sollten nun also als Begriffe nicht mehr verwendet werden, während eine 'homöische' Position (Wesensähnlichkeit) vertreten wurde
360 dann, ein Cousin des Kaisers revoltiert gegen den Kaiser und kommt an die Macht.
Nun dreht sich das Karussel andersrum. Julian (kein Christ) wandte sich gegen die Arianer und wollte selber eine Restauration des heidnischen Staatskultes einführen. Athanasius durfte nach Alexandrien zurückkehren. Insgesamt durften alle verbannten trinitarischen Bischöfe zurückkehren der homöische Kirchenfrieden wurde verworfen.
Durch die Nähe von Julian zu der griechischen Philosophie und sein Betreben die heidnischen Dreier-Gottheiten wieder aufleben zu lassen, waren dem Julian die Athanasianer im Glauben näher und eine Trinitätsvorstellung vertrauter.
Allerdings hielt diese Zuneigung nicht lange, denn letztlich ging dem neuen Kaiser die Heidenbekehrung gegen den Strich und Athanasius wurde wieder verbannt.
363 dann Julians Tod, es folgte diesmal wieder ein Christ auf dem Thron. Bis Theodosius erschien, im Jahre 379, ging es dann mit einer Reihe weiterer Kaiser weiter, eine irgendwie geartete Konsolidierung im Trintiätsstreit war bis dato nicht in Sicht.
Unter Theodosius dann die endgültige Wende:
Edikt: "Cunctos Populos": Alle Untertanen müssten die "Religion des Apostels Petrus" annehmen = Christentum wird Staatsreligion. Zu glauben sind: Die eine Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, die gleicher Majestät und Trinität seien. Strafe bei Nichtbefolgung
Konzil von Konstantinopel folgte 381, wo über den Heiligen Geist als Person der Trinität verhandelt wurde.
Natürlich konnten sich auch bei diesem Vorgang, viele diesem Dogma nicht anschließen oder nicht anfreunden. Dennoch, die Aussicht der Häresie und des Ketzertums angeklagt zu werden, haben den letzten Widerstand beseitigt und die biblische Lehre das Vater und Sohn nicht eine Person sind, also nicht gleichzeitig derselbe Gott, mußte in den Untergrund gehen.
Es zeigt sich anhand dieser geschichtlichen Exkurs folgendes , dass das, was heute als Wahrheit erscheint und geglaubt wird, in einem langwierigen,konfliktbeladenen Klärungsprozess entstand, der letztlich durch weltliche Macht und Einfluss entschieden wurde.