Ich bin erst jetzt auf dieses Thema hier im Forum gelangt. Bibelübersetzungen wurden mir ein Thema, als ich Frau Prof. Lapide bei Bibel TV anhörte. Sie machte glaubhaft, dass Luther mit der hebräischen Sprache Schwierigkeiten hatte. Einige Beispiele, die sich auf die Sprachebene bezogen, leuchteten mir schnell ein (z.B. "Den Seinen gibt der Herr Schlaf.", muss es heißen; nicht jedoch "im Schlaf"; oder dass Eva nicht aus einer (weniger wichtigen) Rippe, sondern aus einer (sehr wichtigen) Flanke des Adam gebildet wurde; oder "lass mich nicht der Versuchung unterliegen" statt "führe mich nicht in Versuchung" usw.). Diese Sprachkorrekturen leuchten mir ein. Dann gibt es den Bereich, wo sie mit ihrer Kritik wesentliche christliche Glaubenselemente tangiert (Paulus, Judas, Johanneskapitel). Da steht Glaube gegen Glaube und da ist Frau Lapide m.E. parteiisch. Das nehme ich ihr nicht ab. Mindestens einmal liegt sie auch nicht mit ihrem Mann Pinchas auf einer Linie. Während Ruth Lapide bei Henning Röhl (BibelTV) sehr auf dem "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde." herumritt, steht bei Pinchas das ganz normale "Am Anfang ..." (P. Lapide, Mit einem Juden die Bibel lesen, Calver.Kösel, 2. Aufl. 1985, S.10).
Insgesamt fand ich aber die Gespräche mit Frau Prof. Lapide so interessant, dass ich mir die beiden Bändchen von Pinchas L. "Ist die Bibel richtig übersetzt?", GTB 1415 u. 1441 besorgt habe. Geht es um eine bestimmte Stelle, schaue ich auch dort hinein.
Ein ganz gravierender Fehler soll es ja bei der 2 Reiche Lehre gegeben haben. Das so oft zitierte "Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist ...", soll ein ganz großer und folgenschwerer Übersetzungsfehler sein. Richtig würde es nach P. Lapide heißen: "Gebet dem Kaiser zurück (nämlich sein schmutziges Geld), was des Kaisers ist ...
Es soll damals um eine doppelbödige Fangfrage der Sadduzäer gegangen sein, welche den Tempelkult verwalteten und welche mit den Römern kollaborierten. Es sei passiert im Tempelvorhof am Passahfest. Die Szene war beherrscht auf der einen Seite von den verhassten Sadduzäerpriestern, auf der anderen Seite standen ihnen gegenüber unterdrücktes und geknechtetes jüdisches Landvolk, Galiläer, die Jesus anhingen. Auf beiden Seiten Spitzel, röm. Legionäre und Polizei, die für Ruhe und Ordnung zu sorgen hatten, da es immer wieder Aufstände und Rebellionen gegen die fremden Unterdrücker gegeben hatte. (Lapide zitierte den Römer Lactantius zur Praxis der Steuereintreibung: „Die Römischen Steuerbeamten erschienen allerorts und brachten alles in Aufruhr ... überall hörte man das Schreien derer, die mit Folter und Stockschlägen verhört wurden ... wenn der Schmerz gesiegt hatte, schrieb man steuerpflichtigen Besitz auf, der gar nicht existierte.“) In diese gespannte Atmosphäre der innerjüdischen Konfrontation fällt diese hinterhältige und provokante Frage des Aufpassers: „Rabbi, ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen – oder nicht?“ Provokativ, weil die gefürchtete Kopfsteuer unumgehbare Bürgerpflicht war. Lapide beschreibt die „gewittergeladene und erlösungsträchtige Atmosphäre, die förmlich nach Freiheit und Aufstand schrie. Konnte Jesus jetzt eine gotteslästerliche Unterwürfigkeit bejahen oder gutheißen?“ (Lapide: „Gotteslästerlich – denn ungleich den Herodianern in Galiläa, die, der biblischen Bilderscheu gehorchend, keinerlei Bildnis auf Münzen prägen ließen, brachte Pontius Pilatus seine Verachtung für den jüdischen Glauben dadurch zum Ausdruck, dass er in Judäa, das als römische Provinz seine Steuern direkt ‚dem Kaiser‘ entrichtete, Provokationsmünzen prägen ließ, die mit ihrem Kaiserbild dem zweiten Gebot, also dem Bilderverbot, eklatant widersprachen.“) Hätte Jesus auf die Fangfrage gesagt, dass es erlaubt sei, wäre er für das Volk als feiger Kollaborateur entlarvt worden. Hätte er gesagt, dass es verboten sei, wäre er als Rebell auf frischer Tat als Aufwiegler ertappt worden und sofort erledigt gewesen. So aber ließ sich Jesus eine Münze mit dem Kaiserbildnis zeigen (womit er bewies, dass er selbst keine solche Heidenmünze mit dem verhassten Bildnis besaß). Zitat Lapide: „Wessen Bildnis und Aufschrift (das heißt Besitzerklärung) sind diese?“ fragt er, wobei er auf die Münze, den Tiberius-Denar, deutet. „Des Kaisers“, ist die allgemeine Antwort; darauf erwidert Jesus klar und eindeutig: „Gebt doch dem Kaiser ZURÜCK, was des Kaisers ist; und Gott, was Gottes ist!“ Hier liegt einer der gravierendsten, folgenschwersten Übersetzungsfehler des Evangeliums vor.“ Lapide schreibt, dass Jesu Antwort nüchtern und korrekt war, weil die Münzen nach dem römischen Münzrecht dem Kaiser gehörten. Diese Worte Jesu waren für die Römer unanfechtbar. Die anwesenden Juden aber verstanden es richtig. Zitat Lapide: „Gebt dem Kaiser doch sein sündiges Geld ZURÜCK (apodote) und benützt es nicht, wie ich es Euch eben demonstriert habe, auf dass Ihr Gott geben könnt, was Gottes ist, nämlich die Anerkennung Seiner Alleinherrschaft über die ganze Schöpfung ohne Heidentyrannei und ohne Götzendienst.“ (Quelle: P. Lapide, Ist die Bibel richtig übersetzt? Band 2, GTB 1441, 1994, S. 56-59)